Während 68/69 n. Chr. im Imperium die Generäle um die Macht kämpften, führte mit Civilis ein Kommandeur der Hilfstruppen die Bataver zum Aufstand. Weitere Germanen und Gallier brachten die Rheinfront zum Einsturz. Ganze Legionen wurden aufgerieben.
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„Unter allen germanischen Völkern sind die ersten an Tapferkeit die Bataver“, beschrieb der Römer Tacitus in seiner „Germania“ jene Leute, die um 100 n. Chr. „einen kleinen Teil der Ufergegend sowie die Insel des Rheinstroms“ bewohnten. Der große Historiker war voll des Lobes, seien sie doch Bundesgenossen: „Kein Tribut erniedrigt sie, kein Steuerpächter saugt sie aus ... Wie Rüstungen und Waffen spart man sie für Kriege auf.“
Denn als Reservoir für die Hilfstruppen der Legionen waren die Bataver dem Imperium ungleich wertvoller denn als Lieferanten dürftiger Abgaben. Seit die Bewohner der Rheinmündung von Kaiser Augustus Ende des 1. Jahrhunderts v. Chr. unterworfen worden waren, dienten ihre Krieger als Reiter und Fußsoldaten, die über eine gefürchtete Fähigkeit verfügten: Sie konnten mit ihren Rüstungen schwimmen und wurden daher gern für Aufklärung oder Kommando-Unternehmen eingesetzt.
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Ihre Bewaffnung machte die Bataver zu idealen Partnern der schwer bewaffneten Legionäre. Sie nutzten ihre Speere als Waffe im Nahkampf, hinzu kam ein Langschwert, mit dem sie in aufgelöster Formation kämpfen konnten. Auch ihr Kettenpanzer erlaubte schnelle Bewegungen, wie sie für die germanische Kampfweise typisch war. Von den Römern aber hatten die Bataver die Disziplin übernommen, die unbedingte Bereitschaft, taktischen Befehlen der Offiziere Folge zu leisten, statt ihre Männlichkeit durch ungestümes Vorpreschen zu beweisen.
Das machte sie zu sehr gefährlichen Gegnern. Das mussten auch die Legionen selbst erfahren, als die Bataver einmal nicht mit, sondern gegen Rom kämpften. Ihr berühmter Aufstand unter Führung des Iulius Civilis in den Jahren 69/70 n. Chr. ist Thema der Ausstellung „Römer versus Bataver. Die Schlacht von Gelduba“ im Museum Burg Linn in Krefeld. Im Zentrum stehen die archäologischen Funde, die in Römerlagern und germanischen Siedlungen um den Ortsteil Gellep gemacht wurden, darunter Dutzende Skelette von Menschen und Pferden. Ein sieben Meter langes Diorama vermittelt mit bewegten und proji*zierten Schwarz-Weiß-Zeichnungen von angreifenden Soldaten einen Eindruck von den blutigen Kämpfen.
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Der Aufstand der Bataver war eingebettet in die große Krise, die das Römische Reich 68 bis 70 n. Chr. erschütterte. In Palästina tobte der große Jüdische Aufstand. Die exzentrische und – zumindest von der Elite – als tyrannisch empfundene Herrschaft Kaiser Neros provozierte mehrere Statthalter zur Usurpation, was einen höchst komplizierten Machtkampf auslöste.
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Den Anfang machte Gaius Iulius Vindex, der als Statthalter einer gallischen Provinz jedoch nur schwache militärische Mittel besaß und daher Servius Sulpicius Galba in Spanien um Unterstützung anging. Zwar wurde Vindex bald von den Legionen am Rhein vernichtet. Aber der Senat in Rom sah die Chance, den verhassten Nero abzusetzen und erklärte Galba zum neuen Kaiser. Nero beging auf der Flucht Selbstmord, Galba fiel im Kampf gegen den Rivalen Marcus Salvius Otho, der wiederum von den überlegenen Rheinlegionen ausgeschaltet wurde.
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Damit kam der Statthalter Niedergermaniens Aulus Vitellius an die Macht, der sich jedoch nicht gegen die Heere des Ostens halten konnte, die sich auf Titus Flavius Vespasianus, den Oberbefehlshaber im Krieg gegen die Juden, als neuen Imperator geeinigt hatten. Mit ihm beerbte eine neue Dynastie, die Flavier, das von Augustus begründete Julisch-Claudische Kaiserhaus.
Die Bataver hatten an diesen Machtspielen insoweit Anteil, als sie als erfahrene Soldaten darin eingesetzt wurden. Man schätzt, dass etwa die Hälfte aller jungen Männer in römischen Auxiliar-Einheiten Dienst tat. Als Vitellius zusätzlich zu den acht Kohorten, die er nach Italien mitgenommen hatte, weitere Erhebungen am Niederrhein anordnete, erregte das wegen der „Habsucht und der Ausschweifungen der damit betrauten“ (Tacitus) Offiziere und Beamte den Widerstand der Betroffenen. In Iulius Civilis fanden sie einen geschickten wie ehrgeizigen Wortführer.
Dieser war ein „klügerer Kopf, als es sonst bei Barbaren der Fall zu sein pflegt“, schreibt Tacitus in seinen „Historien“. Außerdem war er von adliger Abstammung und hatte als Kommandeur einer Auxiliar-Einheit lange genug im römischen Heer gedient, um seine Kriegführung verinnerlichen zu können. In den stürmischen Zeiten um Neros Tod war er wiederholt der Illoyalität verdächtigt worden und hatte sich zum Schein Vespasian angedient. Tatsächlich nahm sich Civilis wohl die Karriere des Cheruskers Arminius zum Vorbild, der ebenfalls ein römischer Offizier gewesen war und sich 9 n. Chr. an die Spitze des erfolgreichen Aufstandes gegen den Statthalter Varus gestellt hatte, den er im Teutoburger Wald vernichtend schlug.
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Wenn Civilis 50 Jahre später wieder zum Freiheitskampf gegen Rom aufrief, hatte er vermutlich die Begründung einer unabhängigen Herrschaft im Sinn, doch lässt sich das abschließend kaum klären. Obwohl Tacitus dem Aufstand in seinen „Historien“ breiten Raum einräumt, bleibt er merkwürdig verworren. Wie die Erhebung und ihr Anführer enden, wird gar nicht berichtet.
Für Rom bedeutete der nun anhebende Krieg in Germanien wohl eine ähnliche Krise wie die Erhebung der Juden, zumal in Civilis Fall erfahrene römische Kampftruppen die Seiten wechselten. Doch während der Jüdische Krieg von dem Historiker Flavius Josephus bis ins Detail dargestellt worden ist, fehlen für den Bataveraufstand vergleichbar umfassende Quellen.
Sicher ist, dass Civilis bald erhebliche Verstärkung aus Germanien und Gallien erhielt. Auch die acht Kohorten, die mit Vitellius nach Italien gezogen waren und jetzt zurückkehrten, gingen wegen erlittener Demütigungen zu ihm über. Das machte die Aufständischen zu einem „ordentlichen Heer“, schreibt Tacitus und berichtet von schweren Kämpfen, in denen die Römer, von inkompetenten Kommandeuren geführt und durch labile Loyalitäten gegenüber den wechselnden Kaisern behindert, zunächst schwere Niederlagen hinnehmen mussten. Bald schlossen sich dem Aufstand nicht nur eine Reihe von germanischen Stämmen, sondern auch die keltischen Treverer (um Trier) und die Lingonen (um Langres) an.
Entscheidend wurde das Ringen um das Legionsdoppellager Vetera bei Xanten. Um die belagerten Römer zu entsetzen, brach ein Heer von Bonn aus auf. Bei Belduba/Gellep wurde es angegriffen, sodass sich die Legionäre in einem Marschlager verschanzen mussten. „Hoch füllen sich die Gräber mit Leichen“, berichtet Tacitus. Nur das verspätete Eintreffen von Hilfstruppen rettete die Römer vor der vollständigen Vernichtung.
Erst im Jahr 70 gelang es Vespasian, mit Einheiten aus zehn Legionen ein Heer zusammenzustellen, mit dem Quintus Petillius Cerialis in die Offensive gehen konnte. Sowohl bei Xanten als auch bei Riol unweit von Trier fanden Ausgräber Waffen und Ausrüstungsgegenstände, die von schweren Kämpfen und römischen Siegen zeugen.
Die Legionäre setzten leistungsfähige Kriegsmaschinen wie Torsionsgeschütze ein, die zwar vereinzelt von den Batavern erobert, nicht aber bedient werden konnten. „Besonders großen Schrecken verursachte eine sich auf und ab bewegende Maschine, welche einzelne oder mehrere Feinde vor den übrigen in die Höhe riss und mittels eines Gegengewichts in ihr Lager warf“, schreibt Tacitus.
Den Ausgang des Krieges schildert der Historiker nicht. In der Forschung geht man davon aus, dass Rom mit den Batavern einen Kompromissfrieden schloss, bei dem die Germanen ihren Status sichern konnten. Schließlich rühmte der Senator Cassius Dio Anfang des 3. Jahrhunderts „fremde auserlesene Reiter, die den Namen Bataver führten, weil sie die tüchtigsten Reiter waren“.
„Römer versus Bataver. Die Schlacht von Gelduba“, Museum Burg Linn in Krefeld, bis 20. Oktober 2024